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Vom Fass in die historische Flasche

Ein traditioneller Rotspon in einer ganz besonderen Hülle

Veröffentlicht am 17. Dezember 2018

Die ganz besondere Flaschenform

Als ich gerade einmal 20 Jahre alt war, bekam ich von einem befreundeten Diakon im beschaulichen Plön einen ganz besonderen Wein geschenkt – einen Lübecker Rotspon. Ich konnte damals damit nicht sehr viel anfangen, lagen meine Präferenzen doch seinerzeit eher bei lieblichem Château de Mornag aus Tunesien und anderen lieblichen Leckereien. Aber die Flasche sah schön aus, gleichwohl der Rotwein für meinen jungen Gaumen zu trocken war und irgendwie auch einen »seltsamen« Beigeschmack hatte. Leider erinnere ich mich nicht mehr an den Winzer, wie gern würde ich mit gereiften Geschmacksnerven diesen Tropfen noch einmal probieren. Vermutlich wäre das eine spannende Erfahrung. Aber warum lange in die Vergangenheit zurück schweifen, wenn ich hier in meinen Händen eine ausgesprochen interessante Flasche halte, in der ein anderer Vertreter eben dieses so traditionsreichen Getränks schwappt? Eine historische Rotweinflasche, neu aufgelegt und mit feinem Bordeaux AOP abgefüllt. Ja, ich kann die Überraschung von Napoleons Offizieren verstehen.

Eine Seefahrt, die ist lustig

Rotwein wurde schon vor über 400 Jahren mit Segelschiffen aus Frankreich importiert und in Deutschland in großen Fässern gelagert. Schon damals sprach man den Weinen eine gewisse Reife zu, nachdem sie eine lange Zeit in den Holzfässern verbrachten. Sie nahmen den Geschmack des Spans, also des Holzes, an. Und vielleicht ist es auch das Seeklima vor allem in der Hansestadt Lübeck gewesen, was einen weiteren Teil zu einem gutmütigen Reifeprozess der importierten Weine beitrug? Historiker orakeln auch, dass vielleicht die besondere Temperatur der lübecker Weinkeller dem Wein eine eigene Note gibt. Wie dem auch sei, es ist nur legendenhaft überliefert, aber als um 1806 die französischen Soldaten Lübeck einnahmen und der damalige Bürgermeister Johann Matthäus Tesdorpf seine Stadt aufgeben musste, zeigten sich die Invasoren bas erstaunt vom hier gelagerten Rotwein. Zwar waren es die gleichen Sorten und Jahrgänge wie bei ihnen in der Heimat – der Lübecker Rotspon schmeckte allerdings wesentlich gehaltvoller und insgesamt runde. Besser.

Nicht nur der Preis macht einen guten Wein

Während ich an einem kleinen Holztischchen sitze und auf die abendliche Trave schaue, gieße ich eben diesen Lübecker Rotspon in ein Glas und tauche meine Nase tief in seinen Duft. So wie das die Weinkenner auf jedem offiziellen Foto immer machen. Riesiges Glas, Nase drin, lächeln. Kirschen, Tabak, Vanille, alles was ich so gern mag in einem weichen, milden Wein vereint. Ich stelle mir parallel einen kratzigen Bordeaux aus dem unteren Supermarktregal vor und muss schmunzeln. Na klar, dieser hier wäre mir auch lieber, nicht nur als Soldat. Denn genau wie es ein immer noch ungeklärtes Mysterium ist, warum nun eigentlich der importierte und hier gelagerte Wein so viel angenehmer schmeckt als sein rauer Bruder, ist doch auch der persönliche Geschmack etwas, was sich nicht in Klassen oder Punktesysteme einteilen lässt. Ich habe sehr teure Premiumweine mit etlichen Goldmedaillen getrunken und halbvoll stehen lassen. Und ich habe preiswerte Weine probiert und von ihnen anschließend drei Kisten gekauft. Herrlich. Und genau das werde ich mit diesem Rotspon jetzt auch machen. Ich habe keine Ahnung, wie ich die Flaschen in mein Weinregal hereinbekommen soll, aber da fällt mir schon etwas ein. Zum Wohl!